Dank der GeFAO und der Förderung des Landes NRW war es möglich, in der ersten Jahreshälfte 2019 das Manuskript zur Auswertung der beiden Galeriegräber von Erwitte-Schmerlecke, Kr. Soest, weitgehend abzuschließen. Die Architektur und Konstruktionstechnik der beiden nur wenige 100 m voneinander entfernt liegenden Gräber der späten Jungsteinzeit werden detailliert beschrieben und zusammenfassend gegenübergestellt. Für Grab II konnte auf Basis der ausgegrabenen Befunde eine digitale Rekonstruktion erstellt werden, die einen Eindruck vom Inneren der Grabkammer vermittelt (siehe Abbildung).
Diskutiert wird in einem zweiten Schritt das Inventar beider Gräber, das auf den ersten Blick gut vergleichbar mit dem Spektrum anderer Galeriegrabinventare erscheint, aber doch in vielen Aspekten hervorsticht. So erbrachten die Grabungen die mit Abstand meisten und qualitativ hochwertigsten Kupferfunde, dem ältesten Metall Westfalens. Es handelt sich vor allem um große Schmuck-Spiralrollen, Röhrchen und Blechstreifen, deren Rohmaterial aus dem nordostalpinen und dem Karpaten-Raum stammt. Darüber hinaus liegt die bei Weitem höchste Anzahl von gelochten Tierzahnanhängern vor, die je aus Galeriegräbern dokumentiert wurden; es sind insgesamt mehrere tausend. Ihre tierartliche Bestimmung durch Dr. Christian Meyer verrät eine große Bandbreite an Jagdtieren von Marder über Wildkatze, Dachs und Fuchs bis hin zu Rothirsch und Bär, doch bestehen über 80% der Anhänger aus Eckzähnen von Hunden. In dieser Menge vorher nie dokumentiert, fanden sich auch mehrere hundert Feuerschlagsteine, die vermutlich ehemals als komplette Feuerzeugsets ihrem Besitzer mit ins Grab gefolgt waren. Ein Fund mit Seltenheitswert ist auch die rillenverzierte Doppelaxt vom Hannoverschen Typ, die als reine Zeremonialaxt der Trichterbecherkultur enge Kontakte zu dieser Gruppe bezeugt. In diesem Zusammenhang darf auch eine doppelaxtförmige Bernsteinperle gesehen werden, die ihren Ursprung in Norddeutschland hat.
Neben den beiden Gräbern wird auch deren unmittelbare und weitere Umgebung diachron in den Blick genommen. So konnten die Arbeiten im nahen Umfeld nicht nur eine bisher unbekannte bandkeramische Siedlung mit Erdwerk, sondern auch ein mehrperiodiges Gräberfeld vom Endneolithikum bis zur Eisenzeit zutage fördern. Darüber hinaus wurden zwei michelsbergzeitliche Grabenwerke, darunter ein bisher unbekanntes, mittels Geomagnetik und Sondagen untersucht. Im Umkreis der weiteren Megalithgräber der Soester Gruppe wurde mit Hilfe verschiedener Prospektionsmethoden nach unbekannten Gräbern und potenziellen Siedlungsarealen gesucht. Die geophysikalischen und archäologischen Begehungen haben ein neues Siedlungsareal im Bereich des Megalithgrabes von Soest-Hiddingsen sowie Hinweise auf den mutmaßlichen Standort des zerstörten Grabes von Anröchte-Uelde erbracht, in dessen Umgebung wohl auch ein bisher unbekanntes metallzeitliches Gräberfeld angelegt war.
Der Beitrag von Dr. Susan Klingner und Prof. Dr. Dr. Michael Schultz (Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Anatomie) behandelt die in den Gräbern gefundenen menschlichen Skelettreste. Hier werden der aktuelle Stand zu den anthropologisch-paläopathologischen Untersuchungen vorgestellt und schlaglichtartig Einblicke in das Leben vor 5.500 Jahren gewährt. Weitere Berichte zu geologischen Analysen des Baumaterials hinsichtlich Herkunft und Transportwegen (Dr. Martin Hiß; Dr. Bettina Dölling, Geologischer Dienst NRW), bodenkundlichen Untersuchungen (Dr. Hans-Joachim Betzer, Geologischer Dienst NRW) archäometrischen Analysen von Silex, hier Gebrauchsspuren (Dr. Alfred Pawlik, Universität Manila, Philippinen) und Keramik, hier Machart und Tonlagerstätten (Dr. Katrin Struckmeyer, Niedersächsisches Institut für Historische Küstenforschung) sowie Pollenanalysen zur Rekonstruktion der Vegetation (Dr. Reinhard Stritzke, Geologischer Dienst NRW) ergänzen und bereichern das Manuskript.
Ein Katalog der Befunde und Funde der im Projekt durchgeführten Grabungen und Sondagen mit anschließendem Tafelteil beschließt die Vorlage der Forschungsergebnisse. Hier sind noch einige redaktionelle Arbeiten durch Frau Melianie Barwe M.A. abzuschließen, bevor das Manuskript in die bewährten Hände der LWL-Redaktion gegeben wird.
Umfangreiche Auswertung der am besten untersuchten Großsteingräber Westfalens
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