Die Wittekindsburg

Die eisenzeitliche Burg: Die erste Befestigung auf dem Wittekindsberg

Die Holz-Erde-Mauer

Die erste Befestigung auf dem Wittekindsberg wurde in der vorrömischen Eisenzeit, genauer im 3./2. Jh. v. Chr. (300–100 v. Chr.), errichtet. Die Front der Befestigung bestand aus Holzpfosten und Balken. Von hinten wurde Erde angeschüttet, um die Holzwand zu stabilisieren. Auf dieser Erdrampe konnten die Verteidiger auf die Befestigung gelangen. Oberhalb der Holzwand befand sich zu ihrem Schutz wohl eine Brustwehr aus Weidengeflecht. Ein Graben vor der Mauer diente als weiteres Hindernis für die Angreifer.

Die Grabungen 1993-1997

Dass es eine eisenzeitliche Befestigung auf dem Wittekindsberg gab, ist erst seit 1993 bekannt. In diesem Jahr wurde ein erster, 18,5 m langer Schnitt angelegt. Anlass dieser Untersuchung waren durch Forstarbeiten entstandene Zerstörungen am Wall
.
An der Außenseite des Walls fand sich eine 0,65 m tiefe künstliche Versteilung des Hanges im anstehenden Felsen. Die Reste der Mauer bestanden aus zwei Lagen plattiger Steine von etwa 0,90cm Höhe. Unterhalb und zwischen den Steinlagen fanden sich hellere Lehmschichten. Die ehemalige Mauerfront war im Norden deutlich erkennbar.  Weitere verstürzte Mauerteile fanden sich hangabwärts. Im westlich gelegenen Schnitt wurde ein flacher Sohlgraben beobachtet. Es waren zwar keine Spuren von Holzeinbauten erhalten, doch die verstürzten Mauerreste deuten darauf hin, dass es ursprünglich eine hölzerne Stabilisierung des Erdwalls gegeben haben muss

Unmittelbar hinter dem Wall wurden Keramikscherben gefunden, die in der Eisenzeit hergestellt wurden. Die Befestigung kann daher in das 3./2. Jh. v. Chr.  datiert werden.

Einen Zugang zur Befestigung gab es am Weg, der hangabwärts nach Häverstädt führt. Die beiden Wallenden überlappen sich dort um etwa 8,00 m und bilden eine 3,55 m breite Torgasse. Dieses sogenannte Tangentialtor ist eine typische Konstruktion für die vorrömische Eisenzeit. Die Toranlage bestand aus Holz und war vermutlich mit einer Brustwehr ausgestattet. Ankommende Feinde konnten so von oben und von beiden Seiten angegriffen werden.

Wie sahen die archäologischen Befunde aus?

Die Grabungen 1907

Die ersten Ausgrabungen fanden 1907 unter Leitung des Bündener Gymnasiallehrers Friedrich Langewiesche und des Direktors des Kestnermuseums Carl Schuchardt statt. Leider sind die Funde verschollen und es existieren nur knappe schriftliche Berichte.

Am Häverstädter Weg ist noch heute eine besondere Unterbrechung im Nordwall sichtbar. Die Wallenden überlappen sich um etwa 8m, weshalb Langewiesche an dieser Stelle eine Toranlage vermutete. Die massive, gemauerte Bauweise der Befunde und die Ergebnisse der späteren Grabungen deuten darauf hin, dass Langewiesche hier ein Tor der frühmittelalterlichen Befestigungsphase aufdeckte.

Sogenannte Tangentialtore mit überlappenden Wallenden sind jedoch untypisch für frühmittelalterliche Befestigungen, wohingegen sie häufig bei eisenzeitlichen Burgen belegt sind. Reste der eisenzeitlichen Anlage hat Langewiesche nicht gefunden bzw. nicht erkannt, vermutlich wurden sie durch den Bau der jüngeren Toranlage zerstört.

Die Menge der Keramikscherben, die 1993–1997 gefunden wurden, deutet möglicherweise eine dauerhafte Besiedlung an – zumindest in einem Teil der Burg. Es wurde auch ein in den Felsen eingearbeitetes Podium gefunden, das auf die Existenz eines Hauses hinweisen könnte. Da eindeutige Pfostenspuren fehlen, ist es auch möglich, dass die Grube entstand als man Erde für den Wall entnahm.

Bei der Keramik handelt es sich um dunkelgraue, gut geglättete Scherben von sog. Schrägrandschüsseln und um dickere, unsorgfältig geglättete Scherben von sog. Harpstedter Rauhtöpfen. Die Rauhtöpfe sind teilweise mit Fingernageleindrücken auf den Rändern verziert. Sie eignen sich jedoch nur bedingt für eine Datierung, da dieser Typ in verschiedenen Varianten in der gesamten vorrömischen Eisenzeit verwendet wurde. Etwas genauer kann die Feinkeramik datiert werden – in das 3./2. Jh. v. Chr.

Im Zusammenhang mit der Befestigung stand sicherlich auch eine zeitgleiche Siedlung, die 1998 nur etwa 1km entfernt in Porta Westfalica-Barkhausen entdeckt wurde. Dort wurde Keramik gefunden die gut mit den Funden von der Wittekindsburg vergleichbar ist. Ein Fragment einer Schrägrandschüssel ist sogar nahezu identisch mit einem Gefäß von der Burg. Es ist damit möglich einen direkten Zusammenhang zwischen Burg und Siedlung zu belegen, was sonst nur äußerst selten gelingt.

In welchem Verhältnis die Bewohner zur Befestigung auf dem Berg standen und welche Funktion diese hatte, kann jedoch nur vermutet werden. Es ist möglich, dass die Siedlungsbewohner die Burg als im Krisenfall nutzen (Fliehburg). Genauso könnte es auch sein, dass eine Gruppe von Menschen in der Burg lebte und von dort das Wege- und Handelsnetz kontrollierte.

In Nordostwestfalen sind 8 weitere eisenzeitliche Befestigungen bekannt. Die nächstgelegenen sind die Babilonie und das Nammer Lager auf der anderen Seite der Porta. Fast alle nordostwestfälischen Burgen datieren, ebenso wie die Wittekindsburg, in die Mittellatènezeit (Lt B/C). In dieser Region war es üblich recht einfache Befestigungen aus Holzpalisaden oder -bohlen mit Erdhinterschüttungen anzulegen. Anders als auf der Wittekindsburg wurden einige Befestigungen zusätzlich – meist nachträglich – mit einer Steinfront versehen. Die meisten Burgen der Region sind mit 6 bis 8 ha ähnlich groß wie die Wittekindsburg. Deutliche Unterschiede gibt es jedoch in Bezug auf den Verlauf der Wehrlinien. Im näheren Umfeld zeigt sich nur am Nammer Lager eine ähnliche Situation, bei der die Innenfläche teilweise von einem Wall umschlossen ist während die andere Seite von einem Steilhang abgeschlossen wird. Das Nammer Lager ist jedoch deutlich größer (25 ha) und bisher nur grob in die Eisenzeit datiert. Der Verlauf der Wehrlinien ist natürlich sehr stark von den topografischen Gegebenheiten abhängig.

Die zweite Befestigungsphase: Die frühmittelalterliche Burg

Die Steinmauer

Im Frühmittelalter, genauer im 9./10. Jahrhundert, wurde eine neue Befestigung auf den Resten der alten Wälle erbaut. Dafür benutzte man ein zweischaliges Mauerwerk. Die Vorder- und Rückseite wurden aus Steinplatten aufgemauert und der Zwischenraum mit Steinen und Lehm angefüllt. Auch in dieser zweiten Bauphase gab es wohl eine Brustwehr aus Weidengeflecht.

Wie sahen die archäologischen Befunde aus?

Die Grabungen 1907 und 1993-1997

Der ehemalige Aufbau des Walls wurde 1907 von Langewiesche an mehreren Stellen untersucht. Westlich des Häverstädter Tores stieß er dabei auf eine 2,10m breite Mauer aus flachen Kalksandsteinen, die in gelblich-lehmiger Erde verlegt waren. Er beschrieb auch, dass es sich um ein zweischaliges Mauerwerk handelte. Als höchste erhaltene Mauerhöhe gab er 1,45 m an. Aus den vorgelagerten Trümmern schloss er auf eine ehemals 3,00 m hohe Mauer mit einer Brustwehr auf der Außenseite.

Bei den späteren Grabungen war zu erkennen, dass im Frühmittelalter ein Fundamentgraben in den verstürzten Wall der vorrömischen Eisenzeit eingetieft worden war. Diese Befestigungsphase orientierte sich exakt an den verfallenen älteren Wällen. Am Nordwall konnte für diese Phase kein vorgelagerter Graben festgestellt werden.

Im Gegensatz zur älteren Befestigungsphase gibt es keine Keramik oder andere Funde mit deren Hilfe die jüngere Mauer datiert werden kann. Die Zweischalenmauer ist eine gängige Bautechnik des frühen Mittelalters. Daher kann die zweite Befestigungsphase nicht genauer datiert werden. Der einzige Hinweis ist die urkundliche Erwähnung der Wittekindsburg im Jahr 993. Die Burg war zu dieser Zeit schon aufgegeben worden, das Ende der Nutzung lag damit vermutlich in der Mitte bzw. in der zweiten Hälfte des 10. Jhs. (ca. 950–980).

Bisher konnte nur am Weg nach Häverstädt eine Toranlage nachgewiesen werden. Bei den Grabungen von 1907 wurden die Reste einer gemauerten Toranlage freigelegt. Die Bauweise spricht für eine Datierung in das Frühmittelalter, genauer in das 9./10. Jahrhundert.

Wie sahen die archäologischen Befunde aus?

Die Grabungen 1907

1907 untersuchte Langewiesche eine Unterbrechung im Nordwall, da er an dieser Stelle eine Toranlage vermutete. Der westliche Teil des Walls zog an dieser Stelle um 0,30 m nach innen und endete in einer 7,25 m langen und 2,25 m breiten Wallzunge. Das östliche Wallende bog nach außen und war als rechteckige, gemauerte Plattform von 7,95 m Länge und 5,60 m Breite ausgestaltet.

Die gemauerte Bauweise deutet darauf hin, dass dieses Tor zur frühmittelalterlichen Befestigungsphase gehörte. Bei der Errichtung der Toranlage orientierte man sich, genau wie bei den Mauern, an den älteren verfallenen Wällen. Das steinerne Tor erhielt so eine für diese Zeit untypische Form mit überlappenden Wallenden.

Welche Funktion hatte die frühmittelalterliche Burg?

Die Grabungen 1907

Wann und zu welchem Zweck die steinerne Burg errichtet wurde, ist aufgrund fehlender Funde unklar. Es gibt auch keine Funde, die nähere Informationen zu den Bewohnern der Burg liefern könnten.

Wie sah die Burg im Frühmittelalter aus?

Archäologische Befunde der Grabungen von 1907 und 1993-1997

Über das genaue Aussehen der Burg im Frühmittelalter ist wenig bekannt. Zwei Unterbrechungen im Wall könnten auf die Standorte von zwei weiteren Toren hinweisen. Ein Wanderweg führt auch heute noch durch den Westwall in den unteren Teil der Burg. Ein weiterer Zugang im Nordosten könnte nach Barkhausen geführt haben.

Es gibt nur wenige Befunde, die Informationen zur Innenbebauung der Burg liefern. Langewiesche entdeckte 1907 jedoch Reste eines Gebäudes, das ein ähnliches Mauerwerk wie die Burgmauer besaß.

In den 90er-Jahren wurde südlich der Kreuzkirche eine weitere massive, von Nord nach Süd verlaufende Mauer gefunden. Diese wurde ebenfalls als Zweischalenmauer errichtet und könnte zur Gliederung der Anlage in eine Vor- und Hauptburg gedient haben. Es ist jedoch unbekannt ob diese Mauer gleichzeitig mit der Außenmauer oder zu einem späteren Zeitpunkt errichtet wurde.

Östlich vor der Mauer wurde außerdem eine mit Bruchsteinen eingefasste Feuerstelle gefunden. Aus der Feuerstelle wurden Proben genommen die zwei kalibrierte 14C-Daten lieferten (784 +/-97 und 821+/-94). (Link 14C) Demnach wurde die Feuerstelle im frühen Mittelalter genutzt. Dies wird auch durch die im Umfeld der Feuerstelle gefundene Keramik bestätigt. Die Scherben von handgeformten Kugeltöpfen datieren in die zweite Hälfte des 9 bis in die erste Hälfte des 10. Jhs. (850–950).

Texte: Birte Reepen

Literatur

Werner Best, Neue Erkenntnisse zum Alter der Wittekindsburg bei Minden, Kreis Minden-Lübbecke In: Hans-Otto Pollmann/Imke Tappe-Pollmann (Hrsg.), Leben mit Geschichte. Festschrift für Friedrich Hohenschwert. Detmold (1996), 61-66.

Werner Best, Die Ausgrabung des vorromanischen Zentralbaus auf der Wittekindsburg. Vorbericht. Archäologie in Ostwestfalen 4, 1999, 33–41.

Friedrich Langewiesche, Die Wittekindsburg in der Porta. Jahresbericht des historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 22, 1908, 76–87.

Rolf Plöger, Die Wittekindsburg an der Porta Westfalica, Kreis Minden-Lübbecke. Frühe Burgen in Westfalen 11 (Münster 2018).

Birte Reepen, Fremdeinflüsse in der Eisenzeit Westfalens. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 284 (Bonn 2016).

Heinrich Rüthing, Die Anfänge des religiösen Lebens auf dem Wittekindsberg nach den schriftlichen Quellen. Archäologie in Ostwestfalen 4, 1999, 43–45.

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